Trotz Dürre und Hitze sind die lippischen Bauern größtenteils zufrieden –
Lippe. Am Sonntag feierten wir das Erntedankfest. „Für uns Bauern heißt es Dank zu sagen für die Früchte unserer Felder, aber auch innezuhalten und zurückzublicken“, so der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Lippe Dieter Hagedorn. „Dieses Jahr mussten wir wieder erkennen, dass die Landwirtschaft der Berufszweig ist, der von der Natur abhängig ist“, unterstreicht der Vorsitzende. „Die Natur zeigte uns erneut, das Lebensmittel im Überfluss nicht selbstverständlich sind.“ Trotz Trockenheit und Hitze seien die Bauern aber mit einem blauen Auge davon gekommen. „Wir können eine leicht unterdurchschnittliche Ernte verbuchen, die je nach Fruchtart, aber auch regional, sehr stark schwankt“, sagt der Landwirt.
Allerdings gibt es massive Trockenschäden und Ernteeinbußen bei den Wiesen und Weiden sowie Kartoffeln. Der Mais litt im zweiten Jahr in Folge unter Trockenstress. Wegen der unterschiedlichen Bodenqualitäten und vor allem Regenmengen liegt die Spannbreite bei der Ernte von „ganz ordentlich“ bis „ganz schlecht“. „Daher ist regional eine im Vergleich zum Vorjahr noch schwierigere Futtersituation zu befürchten“, erläutert Hagedorn, „da es kaum Reserven gibt.“ In den Wiesen und Weiden ist nach dem ersten und zweiten Grünland-Schnitt wenig gewachsen. „Normalerweise haben die Milchbauern immer eine gewisse Futterreserve für Notzeiten“, so Hagedorn. Der trockene Sommer 2018 habe aber diesen Puffer aufgezehrt. Sorgen bereiten den Milchviehhaltern weiter die nicht kostendenkenden Erzeugerpreise. „Die Erzeugerkosten sind aufgrund der qualitativ knappen Futtervorräte und des Zukaufs von Futtermitteln deutlich höher als im Vorjahr“, so Hagedorn.
Bei der jetzt laufenden Kartoffelernte rechnen die Landwirte mit einer unterdurchschnittlichen Ernte. Die Spannbreite ist ebenfalls groß und die Ernteverluste ohne Beregnung noch deutlicher. Bei den Zuckerrüben erwarten die Bauern auch eine unter dem Durchschnitt liegende Ernte. Hagedorn verdeutlicht weiter, dass es zukünftig gerade für die Zuckerrübe und den Raps im harten Marktwettbewerb schwierig werde: „Mit Raps und Zuckerrübe haben wir zwei Früchte, die unsere Fruchtfolgen in der Region über Jahre bereichert haben, für die es aber zunehmend schwieriger wird.“ Hier zeigten sich die Grenzen, wenn der Preis drücke und begleitender Pflanzenschutz jetzt fehlen würde. „Wir hoffen, dass es gelingt, beide Früchte in einem Umfang weiter anzubauen, der eine lohnende Verarbeitung ermöglicht“, untermauert Hagedorn. Sollte die verarbeitende Struktur erst einmal weggebrochen sein, sind diese Früchte im Anbau für uns verloren.“
Der Schweinemarkt konnte sich nach einer Talsohle in den vergangenen beiden Jahren erholen, so Hagedorn. „Die Auswirkungen der Afrikanischen Schweinepest in anderen Ländern haben die Kurse steigen lassen.“ Doch Haltungsauflagen und bürokratische Hürden seien nach wie vor für die Tierhalter das bestimmende Thema. So bedeute beispielsweise der Entwurf zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung schwerwiegende Veränderungen für die Sauenhalter. „Wir sind offen für Änderungen zum Wohl der Tiere, aber es braucht Entscheidungen mit Augenmaß, die den Höfen Perspektive geben“, so der Vorsitzende. Die Bauern bräuchten Planungs- sowie Investitionssicherheit und Zielkonflikte zwischen Tierschutz, Emissionsschutz und Tierwohl müssten gelöst werden. Hagedorn: „Keinem ist geholfen, wenn die Tierhaltung ins Ausland abwandert.“
Wird die Landwirtschaft dem Zeitgeist geopfert? fragt sich derzeit der Vorsitzende. Denn neben immer mehr Haltungsauflagen und bürokratische Hürden bereiten den Bauern auch das neue Agrarpaket große Sorgen. Dieses Gesetzespaket, das Anfang September Umweltministerin Svenja Schulze und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner als Entwurf vorgestellt hatten, kritisiert Hagedorn massiv. Es bedeute das „Aus“ für viele heimische Bauernfamilien. Das Paket sei reiner politischer Aktionismus. „Wir müssen in der Lage sein, weiterhin eine fach- und sachgerechte Landwirtschaft betreiben zu können, um in Europa noch annähernd wettbewerbsfähig zu bleiben“, untermauert der Landwirt. „Viele Bauern sind verzweifelt und verstehen diese Politik nicht mehr.“ Die Politik müsse sich entscheiden, ob sie auch künftig noch eine von bäuerlichen Familienbetrieben getragene flächendeckende Landwirtschaft in Deutschland wolle. Würde so weiter mit den Bauern umgegangen, schwinde deren Existenz und damit die regionale Landwirtschaft, dies schade der gesamten Gesellschaft. Weiter sieht der Vorsitzende den Wald in einem desaströsen Zustand. „Das Landschaftsbild wird sich ändern.“ Die Rettung des Waldes ist für ihn eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Er wünscht sich auch eine wissenschaftliche Begleitung, um Konzepte für einen zukunftsfähigen Wald zu erarbeiten.
Die Stimmung ist zum Erntedankfest von Dankbarkeit geprägt. „Trotz Dürre und Hitze können wir Bauern zufrieden sein“, sagt Hagedorn. Hinsichtlich der schwierigen Rahmenbedingungen und Herausforderungen gibt er einen optimistischen Ausblick: „Die Landwirtschaft hat Zukunft! Sie ist bunt, vielfältig und bietet viele Möglichkeiten, zudem kommen viele junge, motivierte Leute nach.“